mmWave

Einführung in mmWave

Der Begriff „mmWave“ (Millimeterwelle) bezieht sich auf den sehr kurzwelligen Teil des Funkfrequenzspektrums zwischen 20 und 100 GHz. Dieser Abschnitt des Spektrums wird nur wenig genutzt, weshalb die kürzliche Zuordnung der 3GPP FR2- und FR3-Bänder das Interesse am Einsatz der mmWave-Technologie geweckt hat, um die verfügbare Bandbreite und Kapazität von 5G- und 6G-Kommunikationssystemen zu steigern.

Der Entwurf von Systemen bei Millimeterwellen-Frequenzen ist schwierig, da Pfadverluste zunehmen, die Streuung reduziert wird, was die Diversität einschränkt, die Auswirkungen des Rauschens aufgrund der Verwendung größerer Bandbreiten ausgeprägter sind und das Leistungsbudget und die Linearität des Senders begrenzt sind. Um diese Auswirkungen mithilfe innovativer Ansätze für den Entwurf von Antennengruppen und HF-Front-Ends zu verringern, wird ein gutes Verständnis des mmWave-Übertragungskanals benötigt. In den nachfolgenden Abschnitten finden Sie Einzelheiten zu Folgendem:

  • Entwurf von Antennen und Arrays für mmWave-MIMO-Systeme
  • Breitbandentwurf und der Analyse von HF-Front-Ends und -Transceivern
  • Modellierung von mmWave-Kanälen mithilfe von Ray-Tracing-Techniken

Entwurf von Antennen und Arrays für mmWave-Systeme

Antennen und Arrays, die für den Betrieb bei Millimeterwellen-Frequenzen vorgesehen sind, haben eine höhere Resonanzfrequenz und eine kürzere Wellenlänge im Vergleich zu den gleichen Antennen beim Betrieb unter 6 GHz. Daher haben mmWave-Antennen kleinere Abmessungen und Arrays fallen äußerst kompakt aus.

Antennen können bei Millimeterwellen-Frequenzen eng nebeneinander angeordnet werden und hochgradig gerichtete Beamforming-Systeme bilden, die die höhere Dämpfung durch atmosphärische Absorption effektiv kompensieren. Aus diesem Grund weisen die meisten mmWave-Systeme eine MIMO-Architektur auf, mit der ein vergleichbarer – oder sogar höherer – Durchsatz erreicht wird als mit Systemen, die bei niedrigeren Frequenzen betrieben werden. So entwickelte und modellierte beispielsweise Otava einen mmWave-Beamformer-Schaltkreis für 5G mit MATLAB® und Simulink®.

 Blockdiagramm eines Simulink-Modells zur Implementierung eines 5G-mmWave-Beamformers.

Das RF Blockset-Modell des mmWave-Beamformer-Schaltkreises von Otava ermöglicht eine genaue Vorhersage von EVM, ACLR, EIRP und Öffnungswinkel.

Bei der Integration von mmWave-Antennengruppen ist es wichtig, Effekte wie gegenseitige Kopplung und Signalverluste, die durch die Nähe der Antennenelemente zueinander verursacht werden, genau zu schätzen. Wenn die empfangenen Signale stark korreliert sind, funktioniert das Array als eine große Antenne, was die Effektivität der Strahlsteuerung deutlich reduziert, wie im Beispiel Effect of Mutual Coupling on MIMO Communication (Auswirkungen der gegenseitigen Kopplung auf die MIMO-Kommunikation) verdeutlicht wird. Bei der Anwendung des Überlagerungsprinzips auf das isolierte Antennenelement – häufig bei niedrigeren Betriebsfrequenzen – wird die Kopplung vernachlässigt. Daher werden mmWave-Arrays möglicherweise ungenau modelliert, wie im Beispiel Modeling Mutual Coupling in Large Arrays Using Infinite Array Analysis (Modellierung der gegenseitigen Kopplung in großen Arrays mithilfe der Analyse unendlicher Arrays) verdeutlicht wird.

Darüber hinaus sind mmWave-Front-Ends häufig auf den Betrieb in sehr großen Simulationsbandbreiten mit Hunderten von Megahertz und sogar Gigahertz ausgelegt. Beim Entwurf von Antennengruppen für diese großen Bandbreiten ist es wichtig, die Impedanz und das Weitfeldstrahlungsmuster im gesamten Frequenzbereich genau zu schätzen, wie im Beispiel Model RF Systems with Antenna Arrays Using RF Blockset Antenna Block (Modellieren von HF-Systemen mit Antennengruppen mithilfe von RF Blockset Antenna Block) illustriert. Aufgrund der Frequenzabhängigkeit des Musters kann das Array von Strahlverzerrungen (beam squinting) betroffen sein. Anders ausgedrückt: Der Ausrichtungswinkel des Strahls kann sich in Abhängigkeit von der Signalfrequenz unerwünscht verändern.

Screenshots eines Fernfeldstrahlungsmusters eines kreisförmigen Patch-Arrays aus acht Elementen, das bei 60 GHz betrieben wird, und seiner S-Parameter mit Illustration der Kopplungseffekte.

(Links) Fernfeldstrahlungsmuster eines kreisförmigen Patch-Arrays aus acht Elementen, das bei 60 GHz betrieben wird, und (Rechts) seine S-Parameter mit Illustration der Kopplungseffekte.

Entwurf von HF-Front-Ends und -Transceivern bei mmWave-Frequenzen

Der Entwurf von mmWave-Front-Ends und -Transceivern ist aufgrund von Streuung und Verlusten in Kombination mit eingeschränkten Leistungsbudgets eine Herausforderung. Um unerwünschte Effekte vor dem Prototyping im Labor vorherzusehen und zu reduzieren, werden präzise mmWave-Verhaltensmodelle und spezielle Simulationstechniken benötigt, wie in diesem Video illustriert.

Frequenzabhängige Impedanzabweichungen zwischen HF-Komponenten dürfen nicht vernachlässigt werden, da sie das verfügbare Leistungsbudget schnell um mehrere dB verkleinern können. Darüber hinaus können Impedanzen auch die allgemeine Rauschtoleranz (Noise-Margin) beeinflussen und damit das verfügbare Signal-Rausch-Verhältnis weiter verkleinern. Aus diesen Gründen werden S-Parameter-Daten für die Modellierung und Analyse von HF- und mmWave-Komponenten benötigt.

Bei mmWave-Frequenzen werden passive Komponenten wie Filter und Anpassung sowie Einspeisenetzwerke unter Verwendung verteilter Elemente wie Übertragungsleitungen, Stichleitungen und Resonanzstrukturen implementiert. Die Analyse derartiger Elemente erfordert elektromagnetische Verfahren zur Schätzung von Streuung, Strahlung und Wirkungsgrad.

Für mmWave-Komponenten wie Verstärker und Mixer müssen nichtlineare Effekte in Abhängigkeit von der Frequenz genau modelliert werden, da sie zu einer bandinternen Intermodulation („spektrales Nachwachsen“) führen oder zu einer unerwünschten Störquelle für andere Systeme werden können. Darüber hinaus sind mmWave-Empfänger aufgrund ihrer großen Betriebsbandbreite und begrenzten Abstimmschärfe anfälliger für die Desensibilisierung durch Störer.

Streuung und Memory-Effekte wirken sich auch auf Leistungsverstärker bei mmWave-Frequenzen aus. Die kombinierten Auswirkungen von Memory-Effekten und Nichtlinearität können durch Linearisierungstechniken wie DPD verringert werden. Es ist allerdings schwierig, diese Algorithmen bei mmWave zu testen und Prototypen zu erstellen, daher werden genaue Breitbandmodelle für eine frühzeitige Systemsimulation benötigt.

 Screenshots mit den Eigenschaften des Qorvo CMD240 Breitbandverstärkers als Funktion der Betriebsfrequenz und als Teil eines Empfängers mit berechnetem HF-Budget.

Der Graph auf der linken Seite zeigt die Merkmale des Qorvo CMD240 Breitbandverstärkers als Funktion der Betriebsfrequenz. Auf der rechten Seite wird der gleiche Verstärker als Teil eines Empfängers und mit berechnetem HF-Budget illustriert.

Ray-Tracing für mmWave-Systeme

In einem Millimeterwellensystem sind die Öffnungswinkel der Antennen sehr schmal, und Signalverluste sind bei mmWave-Frequenzen deutlich größer als im Bereich unter 6 GHz. Dies macht den Einsatz von mmWave-Frequenzen für kapazitätsstarke 5G- und 6G-Anwendungen für mehrere Benutzer attraktiv. Außerdem verlaufen die meisten Signalpfade durch die Sichtlinie, und Mehrwegempfang spielt bei mmWave-Frequenzen eine geringere Rolle als bei herkömmlichen Mobilfunkfrequenzen. Aufgrund dieser größeren Verluste ist Beamforming bei mmWave von entscheidender Bedeutung. Darüber hinaus wird auch Massive MIMO bei diesen Frequenzen wichtig.

Ray-Tracing ist eine wichtige Modellierungstechnik für mmWave-Systeme. Da bei solchen Systemen weniger diffuser Mehrwegempfang auftritt als bei Systemen unter 6 GHz, stellt Ray-Tracing eine bessere Annäherung an den tatsächlichen mmWave-Kanal dar als ein Modell mit Cluster Delay Line oder Tapped Delay Line. Ray-Tracing erfordert eine genaue Modellierung der lokalen Umgebung, einschließlich Gelände und Gebäude. MATLAB ermöglicht einen einfachen Import von Gebäuden in ein HF-Modellierungsszenario mithilfe von OpenStreetMap®. Beim mmWave-Ray-Tracing mit importierten Gebäudedaten ist es wichtig, die Baumaterialien anzugeben, da verschiedene Materialien unterschiedliche Auswirkungen auf die Leistungsverluste und die Polarisierungen der ausgestrahlten Wellen haben. Mit MATLAB können Sie eine Vielzahl von Materialien angeben oder sogar die elektrischen Eigenschaften der Materialien angeben, ohne die genauen Materialien zu bestimmen.

Beim Ray-Tracing in mmWave-Frequenzen können Punkt-zu-Punkt- und Abdeckungsanalysen die Leistung von Einzelverbindungen bzw. Netzwerken vorhersagen. Eine Punkt-zu-Punkt-Analyse kann die relative Dämpfung zwischen Sichtlinien- und reflektierten Pfaden aufzeigen. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Ergebnisse einer solchen mmWave-Analyse.

Diagramm mehrerer Ray-Tracing-Strahlen zur Verbindung eines Senders und eines Empfängers.

Punkt-zu-Punkt-Ray-Tracing-Analyse eines mmWave-Übertragungsszenarios.

Eine Abdeckungsanalyse kann die allgemeine Leistung eines Kommunikationsnetzwerks in einem lokalen geografischen Bereich vorhersagen. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Ergebnisse einer solchen mmWave-Analyse.

Heatmap zur Illustration der Empfangsleistung eines Millimeterwellensenders.

Abdeckungsanalyse eines mmWave-Übertragungsszenarios, erstellt mithilfe der Ray Tracing Engine der Communications Toolbox.

Einzelheiten zu den Produkten zur mmWave-Modellierung und -Simulation finden Sie unter Communications Toolbox™, RF Blockset™, RF Toolbox™, Antenna Toolbox™, RF PCB Toolbox™, 5G Toolbox™ und Phased Array System Toolbox™.


Siehe auch: Kanalmodell, HF-System, S-Parameter, Entwurf von Drahtlos-Transceivern, Satellite Communications Toolbox