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KI für drahtlose Kommunikationssysteme mit MATLAB

KAPITEL

Kapitel 2: KI-Workflow zur 5G-Kanalschätzung

Kapitel 2

KI-Workflow zur 5G-Kanalschätzung


Die Kanalschätzung ist eine der wichtigsten Herausforderungen, die jedes moderne Drahtlossystem bewältigen muss. Der Empfänger muss verstehen, wie der Kanal die vom Sender gesendeten Signale verändert, und dabei herausfinden, wie er das Kanalmodell zu jedem Zeitpunkt und bei jeder Frequenz spezifizieren kann. Wenn die Kanalschätzung erfolgreich ist, steigt auch der Durchsatz, und die Fehlerquote sinkt.

Die klassischen Algorithmen zur Kanalschätzung basieren auf mathematischen Anpassungsalgorithmen wie der linearen Anpassung oder der Polynomanpassung dritten Grades. Mit der zunehmenden Anzahl von Antennen, einem breiteren Frequenzspektrum und unterschiedlichen Umgebungen hat jedoch auch die Variabilität der Kanäle zugenommen

Mithilfe von KI können Sie ein Modell trainieren, um das Kanalverhalten zu beobachten und trotz der Vielzahl von Parametern genaue Schätzungen vorzunehmen. Ein KI-basiertes Modell erkennt und klassifiziert Signale innerhalb weniger Millisekunden und ist damit schneller als klassische Methoden. Da die Methoden innerhalb des KI-basierten Modells einfach gehalten sind, können auch der Stromverbrauch und die Rechenanforderungen reduziert werden.

Dieser Abschnitt führt Sie durch den Prozess: von der Datenaufbereitung über die Modellierung und Simulation bis hin zur Bereitstellung eines KI-Modells, das mithilfe von Deep Learning ein Convolutional Neural Network (CNN) erstellt, welches eine 5G-Kanalschätzung durchführt. Nach Fertigstellung des KI-Modells können Sie die Gesamtleistung des Drahtlossystems verbessern, ohne dabei einen anderen Teil des Systems zu verändern.

 Die von links nach rechts angeordneten Blöcke zeigen die iterativen Schritte zur Entwicklung einer KI-basierten 5G-Kanalschätzung, beginnend mit der Synthese von 5G-standardkonformen Wellenformen über die Entwicklung von KI-Algorithmen bis hin zur Implementierung von HDL-Code für FPGAs.

Mit MATLAB lassen sich so 5G-konforme Wellenformen erstellen, anhand dieser Daten ein KI-basiertes Kanalschätzungsmodell trainieren, simulieren, testen und optimieren und schließlich implementieren.

Abschnitt

Datenaufbereitung

Der erste Schritt bei der Erstellung eines KI-basierten Modells für die Kanalschätzung besteht darin, 5G-konforme Wellenformen zu generieren, mit denen das Modell trainiert werden kann. Die Trainingsdaten müssen dabei fehlerresistent sein, d. h. sie müssen nicht nur der Norm entsprechen, sondern auch umfassend und repräsentativ hinsichtlich Kanalstörungen und realistischer Szenarien sein.

Mit MATLAB lassen sich standardkonforme Wellenformen und fehlerresistente Datensätze ganz einfach erzeugen. Ablauf zur Erstellung eines Datensatzes zum Trainieren von KI-gestützten Kanalschätzungsmodellen:

  • Verwenden Sie den Wireless Waveform Generator, um Wellenformen nach 5G-Standard zu erzeugen.
  • Erweitern Sie diese Signale mithilfe des Wireless Waveform Generator, um den Datensatz realitätsnäher zu machen, indem Sie Verzerrungen hinzufügen, denen die Signale auch in der Praxis ausgesetzt sind. Über ein einfaches Dropdown-Menü können Sie beispielsweise gaußsches Rauschen, Phasenrauschen oder Frequenzrauschen hinzufügen.
  • Verwenden Sie die Signal Labeler App, um Ihr Fachwissen auf Ihren Datensatz anzuwenden. Markierte Daten helfen bei der Signalcharakterisierung während des Trainings und integrieren menschliche Intelligenz in das Modell.
Ein Screenshot des Wireless Waveform Generator zeigt die Synthese von 5G-Wellenformen.

Der Wireless Waveform Generator bietet verschiedene Optionen zur Auswahl von Wellenformstandards und Frequenzbereichen sowie zum Hinzufügen von Störungen vor der Erzeugung von Wellenformdaten.

Sobald Ihre Daten erfasst und beschriftet sind, sollten Sie diese verarbeiten, um ein Signal zu erzeugen, das als Eingabe zum Trainieren eines KI-Modells verwendet werden kann. Sie können z. B. die Zeit auf der y-Achse und die Frequenz auf der x-Achse grafisch darstellen und die Signalstärke bei jeder Zeit- und Frequenzkoordinate als Farbe erfassen, um eine Heatmap zu erstellen. Auf diese Weise wird eine Reihe von Bildern erstellt, die sich für die Einspeisung in Deep-Learning-Netzwerke eignen, welche für die Klassifizierung von Bildern trainiert wurden.

Außerdem sollten Sie Ihre Daten in Trainingsdaten und Validierungsdaten unterteilen, damit Sie einen Datensatz haben, mit dem Sie Ihr Modell validieren und abstimmen können, sobald dieses trainiert ist.

Die Art und Weise, wie Sie Daten sammeln, verwalten und kennzeichnen, hängt ganz von Ihrem jeweiligen Projekt ab. In einigen Projekten können Sie möglicherweise reale Daten erfassen, die es Ihnen ermöglichen, ein Modell zu trainieren.

Ein farbkodiertes Diagramm der Signalstärken aus einem 5G-Datensatz, mit der Zeit auf der y-Achse und der Frequenz auf der x-Achse.

Mit dem Wireless Waveform Generator lassen sich fehlerresistente synthetische Wellenform-Datensätze für eine Reihe von Standards erstellen.

Sollte dies nicht möglich sein, können Sie auch synthetische Daten verwenden, um darzustellen, was ein reales System wahrnimmt. Unter Umständen kann es schwierig sein, die tatsächlichen Bedingungen in der Praxis mit synthetischen Daten nachzustellen. Hier kann MATLAB mit seiner umfangreichen Bibliothek an geeigneten Kanalbeeinträchtigungen helfen, die realen Bedingungen zu simulieren.

Abschnitt

KI-Modellierung

In MATLAB haben Sie direkten Zugriff auf gängige KI-Algorithmen zur Klassifizierung und Vorhersage, einschließlich Regression, Deep Networks und Clustering. Der erste Schritt bei der Erstellung eines KI-Modells besteht darin, einen geeigneten Ansatz zu wählen, z. B. die Erstellung eines CNN zur Kanalschätzung.

Ein CNN erweist sich als ideale Wahl für dieses KI-Modell, da CNNs sich besonders gut zur Bildverarbeitung eignen. Sie haben den zusätzlichen Vorteil, dass sie auf Transfer Learning beruhen, sodass Ihr Modell auf bereits vorhandenen trainierten Bildverarbeitungsnetzwerken wie GoogLeNet oder AlexNet aufbauen kann.

Ein Diagramm, das ein Convolutional Neural Network für die Kanalschätzung zeigt, dessen Eingangssignal ein empfangenes Signal mit Pilotsymbolen ist und das die Kanalschätzung ausgibt.

Das CNN zur Kanalschätzung nimmt markierte Bilder auf, die 5G-Wellenformen mit Pilotsymbolen darstellen, und ermittelt eine Schätzung der Kanalverzerrung.

Zum Aufbau des CNN verwenden Sie den Deep Network Designer, um das neuronale Netz zu trainieren und einzurichten. Dabei haben Sie folgende Optionen:

  • Importieren Sie die von Ihnen erstellten Daten und visualisieren Sie den Trainingsprozess.
  • Beschleunigen Sie das Training ohne spezielle Programmierung mithilfe der Parallel Computing Toolbox.

Sie können auch KI-Modelle importieren, die mithilfe von Open-Source-Frameworks wie PyTorch® und TensorFlow™ entwickelt wurden.

Anschließend können Sie die Experiment Manager App verwenden, um das Modell zu überarbeiten und optimale Trainingsoptionen zu finden. Verwenden Sie die Rastersuche, die zufallsgesteuerte Suche und die auf der bayesschen Optimierung basierende Suche, um die Hyperparameter zu durchsuchen.

Durch die parallele Durchführung von Experimenten können Sie verschiedene Trainingskonfigurationen gleichzeitig testen. Konfusionsmatrizen und selbstentwickelte metrische Funktionen helfen Ihnen, Ihr trainiertes Netzwerk zu evaluieren.

Mit MATLAB können Sie eine „goldene Referenz“ oder ein perfektes Kanalschätzungsmodell erstellen, mit dem Ihr KI-Modell verglichen werden kann. Sie können Ihr Modell auch mit einer klassischen Methode, z. B. einem linearen Interpretationsalgorithmus, für dasselbe Kanalmodell in derselben Umgebung vergleichen.

Vier nebeneinander liegende Ausgaben der Kanalschätzung. Drei davon stellen Daten aus verschiedenen Modellen dar, darunter die lineare Interpolation, ein praktischer Schätzer und das neuronale Netz. Die vierte ist der eigentliche Kanal.

Die Ergebnisse der verschiedenen Ansätze zur Kanalschätzung werden mit dem tatsächlichen Kanal mithilfe der mittleren quadratischen Abweichung (MSE) verglichen und zeigen, dass das neuronale Netz die höchste Genauigkeit aufweist.

Abschnitt

Simulieren und Testen

Sobald Sie Ihr KI-basiertes Kanalschätzungsmodell lokal validiert haben, sollten Sie es im Kontext des Gesamtsystems auch global validieren. Ferner empfiehlt es sich, Ihr Modell mit funkgestützten 5G-Signalen (over-the-air, OTA) zu testen und eine Feinabstimmung vorzunehmen.

Mit MATLAB können Sie Ihr KI-Modell auf die gleiche Weise in eine bestehende Systemsimulation einfügen wie jeden anderen Block.

Navigation im Panel

Wenn Sie mehr über die Integration von Entwicklungskomponenten aus verschiedenen Quellen und die Verifizierung, ob das resultierende System die Anforderungen erfüllt, erfahren möchten, lesen Sie Folgendes:

Für Tests gilt:

  • Erstellen Sie eine Laboreinrichtung mit Hardware für Test- und Messzwecke. Die Hardware kann mithilfe der Instrument Control Toolbox mit der MATLAB-Umgebung verbunden werden, um die Daten von MATLAB live auf die Hardware zu übertragen und OTA-Tests durchzuführen.
  • Verwenden Sie Software-Defined Radios, um die Daten per Funk zu übertragen und mit Echtzeit-Kanaleffekten zu empfangen.
Ein Blockdiagramm zeigt, wie Instrumente zur Erzeugung und Erfassung von HF-Signalen und unterstützte SDR-Sender und -Empfänger mehrere Signalströme für die Analyse erzeugen.

Erfassen Sie Live-Daten direkt in MATLAB mithilfe von SDR- sowie Signalübertragungs- und -empfangsgeräten.

Was sollten Sie von Ihrem Drahtlossystem erwarten, wenn Sie Ihr KI-basiertes CNN zur Kanalschätzung integriert haben? Zu den wichtigsten Metriken, die auf Verbesserungen untersucht werden sollten, gehören:

  • Durchsatz – die Menge der erfolgreich übertragenen Daten pro Sekunde sollte steigen
  • Fehler – Blockfehlerrate, Bitfehlerrate und Paketfehlerrate sollten sinken
Abschnitt

Bereitstellung

MATLAB verfügt über ein einzigartiges Framework zur Codegenerierung, mit dem Modelle überall implementiert werden können, ohne dass der Code neu geschrieben werden muss. Dabei haben Sie folgende Optionen:

  • Schrittweise Verbesserung und Tests von KI-Prototypmodellen auf Hardware während der Entwicklungsphase
  • Bereitstellung Ihres KI-Modells auf Produktionshardware zur Systemvalidierung oder -einführung

Sie könnten zum Beispiel das KI-basierte Kanalschätzungsmodell auf einem FPGA einsetzen wollen. Verwenden Sie die Deep Learning HDL Toolbox™, um das Modell zu konvertieren und einen HDL-Workflow zu erstellen. Führen Sie anschließend die Kompilierung, Bereitstellung und Prognose durch, um die Geschwindigkeit und Genauigkeit der Inferenz auf verschiedenen FPGA-Plattformen zu bestimmen.

Weitere Implementierungsziele sind:

  • Leichte, energieeffiziente integrierte Geräte (wie z. B. in Pkw)
  • Kostengünstige Rapid-Prototyping-Platinen, z. B. Raspberry Pi
  • Edge-basierte IoT-Anwendungen wie z. B. ein Sensor und ein Regler an einer Maschine in einer Fabrik
  • Eingebettete Plattformen mit C/C++, HDL-, PLC- oder CUDA-Code

MATLAB kann auch in Desktop- oder Server-Umgebungen eingesetzt werden, was eine Skalierung von Desktop-Programmen bis zu Cloud-basierten Unternehmenssystemen auf AWS® oder Azure® (z. B. eine Finanzanalyseplattform) ermöglicht.

Eine Hierarchie von Bereitstellungsmöglichkeiten zeigt, dass die Modelle auf eingebetteter Hardware oder auf Unternehmenssystemen bereitgestellt werden können.

Die Generierung von MATLAB Programmcode ermöglicht die Bereitstellung auf einer Vielzahl von Hardware-Plattformen.