Verifikation hocheffizienter Leistungsverstärker bei Nujira
Von Sean Lynch, Nujira
Leistungsverstärker (Power Amplifiers, PAs) stellen sicher, dass gesendete HF-Signale wie DVB-, 3G-, LTE- oder 4G-Signale stark genug für die Übertragung sind. Weil PAs mit einer festen Versorgungsspannung arbeiten, nehmen sie unabhängig von der Signalamplitude immer die maximale Leistung auf und sind darum für amplitudenmodulierte HF-Signale extrem ineffizient.
Envelope Tracking ermöglicht es, die Effizienz von PAs durch dynamische Modulation der Versorgungsspannung in Abhängigkeit vom Eingangssignal von 30% auf 60% oder mehr zu steigern.
Nujiras High Accuracy Tracking (HAT™) Technologie, die erste praxistaugliche Implementierung des Envelope Tracking, wird derzeit in Mobilfunk-Infrastrukturen und -Endgeräten, Radio- und Fernsehsendern, militärischen Kommunikationssystemen und anderen Anwendungen getestet und zum Teil bereits eingesetzt. Drei Nujira-Produktlinien enthalten diese Technologie: Coolteq.L für Mobilfunkendgeräte, Coolteq.h für Mobilfunkbasisstationen und Coolteq.u für DVB-Sender. Während des gesamten Entwicklungszyklus, von der Forschung über den Modulatorentwurf bis hin zur Verifikation und den automatisierten Tests, kamen MathWorks-Produkte zum Einsatz.
Vorteile der Envelope Tracking-Technologie
Konventionelle PAs geben 80% der aufgenommenen Energie ungenutzt als Wärme wieder ab. So entfällt beispielsweise die Hälfte des Gesamtenergieverbrauchs in Mobilfunkbasisstationen alleine auf die PAs.
Obwohl das Envelope Tracking bereits vor über 60 Jahren erstmals beschrieben wurde, wird es erst seit kurzem kommerziell eingesetzt. Der Hauptgrund hierfür ist die Schwierigkeit, einen Modulator zu konstruieren, der die Effizienz-, Bandbreiten- und Rauschanforderungen von Breitbandsignalen wie Multicarrier-Signalen von WCDMA, WiMAX oder DVB erfüllt.
Die Envelope Tracking-Technologie von Nujira kann die Effizienz von PAs verdoppeln und deren Verlustleistung drastisch verringern. Das spart nicht nur Energiekosten, sondern verringert auch den Kühlaufwand (Abb. 1). PAs können damit überdies höhere Ausgangsleistungen erzielen und so die Reichweite vorhandener Sendemasten erhöhen. Aufgrund der Breitbandfähigkeit der Nujira-Technologie können Senderbetreiber ihr angestrebtes Sendespektrum außerdem künftig mit weniger unterschiedlichen PA-Typen abdecken.
Die Nujira Power Modulator-Technologie
Zur Implementierung des Envelope Tracking muss ein Modulator den PA immer im effizientesten Arbeitspunkt halten. Dazu wird die Versorgungsspannung des PA synchron mit der Einhüllenden des gesendeten Signals moduliert. Bei einer Basisstation mit einer Trägerwelle von 40 Megahertz muss die Versorgungsspannung also beispielsweise mit einer Mindestfrequenz von 40 MHz moduliert werden und dabei exakt der Hüllkurve des übertragenen Signals folgen.
In der Produktdesign-Phase wurden die Hauptschaltkreise des Spannungsmodulators mit Simulink®, der Communications System Toolbox™ und der Control System Toolbox™ modelliert und anschließend wurde in Simulationen die Leistung verschiedener Modulatorkonzepte vorausberechnet. Das Modulatormodell enthielt zentrale Schaltkreise wie die Schaltendstufe und den Korrekturverstärker. Durch Simulation der Arbeitsweise des Modulators vom rohen Hüllkurvensignal bis zur verarbeiteten Hüllkurve konnte die Effizienz und die Folge-Genauigkeit des Modulators vorhergesagt werden. Die Simulationsergebnisse ließen sich auch für die Verifikation der Leistung des fertigen Produkts verwenden.
Entwicklung und Validierung digitaler Vorverzerrungs-Algorithmen
Wenn man die Gate-Spannung am Transistor des PA in Echtzeit moduliert, wird dadurch das übertragene Signal verzerrt. Dieser Effekt kann durch eine digitale Vorverzerrung korrigiert werden. Die entsprechenden Algorithmen erzeugen innerhalb der Übertragungskette ein linearisiertes Ausgangssignal, das die Anforderungen an die Nachbarkanalleistung (Adjacent Channel Power, ACP) für alle relevanten Standards erfüllt.
Mit MATLAB® und der Signal Processing Toolbox™ entwickelten und testeten die Ingenieure Fließkommaversionen der Vorverzerrungsalgorithmen und konvertierten sie dann mit der Fixed-Point Toolbox™ in Festkommaversionen, um sie auf FPGAs oder DSPs implementieren zu können. Darüber hinaus erzeugten sie eine Sammlung von Testvektoren mit zugehörigen erwarteten Ergebnissen, um die Algorithmen noch vor der Hardware-Implementierung validieren zu können. Mit diesen Testvektoren ließ sich ebenso später verifizieren, dass die Hardware dieselben Ergebnisse erzeugte wie die Festkommaversion in MATLAB.
Validierung des Modulatorentwurfs
In der ersten Phase der Validierung kam eine Testkonfiguration aus einem Test-Basisband, dem Modulator und einem hohen Belastungswiderstand zum Einsatz. Die Testsequenz bestand aus Digitalmultimetern (DMM), Spannungsquellen sowie einem Oszilloskop und wurde vollständig mit MATLAB und der Instrument Control Toolbox™ gesteuert. Dies geschah in der Regel mit Hilfe der „Standard Commands for Programmable Instruments“ (SCPI) über einen GBIP-Bus. Das Testteam zeichnete mit einem Agilent MXA-Signalanalysator verschiedene 2G-, 3G-, LTE- und TDMA-Testsignale auf, die in MATLAB einer „Crest Factor Reduction“ unterzogen wurden, um sie in der Testumgebung einsetzen zu können.
Mit MATLAB und dem MATLAB Compiler™ wurde dann eine eigenständige Applikation erzeugt, über die die Tests gesteuert wurden. Diese Applikation konfiguriert das Basisband mittels einer MEX-File USB-Schnittstelle und steuert den Modulator über dessen I2C-Schnittstelle. Während der Testläufe wurden mit der Instrument Control Toolbox die Ausgangswellenformen am Oszilloskop abgegriffen und mithilfe von MATLAB-Skripten mit dem übertragenen Signal verglichen. Dadurch ließ sich verifizieren, dass der Modulator dem Signalverlauf exakt folgte.
In der nächsten Validierungsrunde ersetzte das Team den Belastungswiderstand durch einen echten PA und schloss einen Spektrumanalysator und zwei USB-Leistungsmesser an die Testumgebung an. Mit dieser Konfiguration konnte der gesamte HF-Aufbau getestet werden. Das Entwicklungs-Kit für Kunden den gleichen Aufbau. Es besteht aus dem Coolteq- Entwicklungssystem und einer eigenständigen MATLAB-Anwendung mit einer grafischen Oberfläche, über die der Kunde alle Aspekte seiner Tests steuern kann (Abb. 3).
System-Level-Validierung
Das Testteam von Nujira hat eine automatisierte Testausrüstung (ATE) für die gesamte Kette aus Basisband, Modulator und PA aufgebaut. Der Testaufbau enthält mehrere Spannungsquellen, Leistungsmesser und DMMs sowie ein Oszilloskop und einen Spektrumanalysator (Abb. 4). Basisband, Modulator und PA sind in diesem Aufbau austauschbar, so dass neue Systemdesigns rasch bewertet werden können. Die automatisierten Tests und alle Testinstrumente werden direkt aus MATLAB heraus gesteuert. Vom Oszilloskop und den Basisband-Empfängern greift das Testsystem Wellenformen ab und analysiert dann die Leistung des Gesamtsystems an verschiedenen Arbeitspunkten mit unterschiedlichen Spannungsbereichen und bei Temperaturen zwischen -40°C und +60°C.
Ein typischer Testlauf für eine HF-Wellenform erfordert etwa 50 Messungen. Weil die Ingenieure bei manuellen Tests für jeden Test Register einrichten müssen, kann ein per Hand vorgenommener Testlauf mehrere Stunden beanspruchen. Mit dem ATE dauert ein Einzellauf nur einige Minuten und ein vollständiger Test für 10 Wellenformen 45 Minuten. Darüber hinaus sind die mit dem ATE erzielten Ergebnisse erheblich konsistenter und reproduzierbarer als manuell erzeugte Testergebnisse. Das MATLAB-basierte ATE hat Nujira bislang über eine Million britische Pfund gespart (ca. 1,2 Mio. €).
Die Coolteq.h-Produktlinie ist bereits in Produktion und die Coolteq.L-Chips für Mobilfunkendgeräte befinden sich in der Testphase. Mit MathWorks-Tools hat Nujira diese Produkte erfolgreich von der konzeptionellen Forschung auf Produktionssysteme übertragen und ein umfassendes ATE-System für Komponenten- und System-Level-Tests aufgebaut.
Veröffentlicht 2010 - 91845v00