Verbesserung von Windkraftanlagen durch modellprädiktive Regelung - MATLAB & Simulink

Technische Artikel

Reduzierung struktureller Belastungen von Windkraftanlagen mit Machine Learning und modellprädiktiver Regelung

Von Andreas Klein, Thorben Wintermeyer-Kallen und Maximilian Basler, Institut für Regelungstechnik, RWTH Aachen, und János Zierath, W2E Wind to Energy GmbH


Model-Based Design war für unseren Entwicklungsprozess von entscheidender Bedeutung. … Mit diesem Ansatz konnten wir die Funktion des Reglers an einer 3-MW-Windturbine in Originalgröße testen.

Um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, muss die Windenergieproduktion 17% Wachstum im Vergleich zum Vorjahr aufrecht erhalten. Da die gesamte installierte Energiekapazität von Windkraftanlagen (WEA) weltweit weiter wächst, konzentriert sich die Branche verstärkt auf die Optimierung der langfristigen Betriebseffizienz. Hierzu gehört nicht nur die Maximierung der Stromausbeute, sondern auch die Minimierung der Herstellungs- und Wartungskosten – und das alles bei gleichzeitiger Gewährleistung der Sicherheit und Netzkonformität. Das Erreichen aller dieser Ziele ist mit klassischen Steuerungsstrategien auf Basis von Proportional-Integral-Algorithmen (PI) oder Proportional-Integral-Derivative-Algorithmen (PID) kaum möglich. Aus diesem Grund untersuchen Forschungsgruppen den Einsatz fortschrittlicherer Steuerungsstrategien, darunter auch die modellprädiktive Regelung (MPC).

MPC eignet sich gut für WT-Steuerungsanwendungen, da es mehrere, manchmal widersprüchliche Steuerungsziele und Einschränkungen in einem Optimierungsproblem zusammenfassen kann. Tatsächlich haben unsere ehemaligen Kollegen bereits die Wirksamkeit von MPC zur Steuerung von Windkraftanlagen durch den Einsatz eines modellbasierten Reglerentwurfs und Rapid Control Prototyping demonstriert.

Kürzlich haben wir (ein Team aus Forschern am Institut für Regelungstechnik der RWTH Aachen und Ingenieuren der W2E Wind to Energy GmbH) diese frühere Arbeit erweitert, indem wir ein Regressionsmodell für Machine Learning in das MPC integriert haben. Mit dieser Verbesserung passt der Regler die Blatteinstellwinkel und das Generatordrehmoment proaktiv an, um Lastwechsel auf der Windenergieanlage zu minimieren und so das Risiko von Verschleiß und Schäden langfristig zu verringern. Die von uns verwendeten Algorithmen stammen aus dem IntelliWind-Forschungsprojekt mit der Fördernummer 01IS22028A/B. Model-Based Design war für unseren Entwicklungsprozess von entscheidender Bedeutung: Wir verwendeten MATLAB®, um das Machine-Learning-Modell zu trainieren, das die dynamischen Zustände des internen Vorhersagemodells des MPC auf die Änderung der Schubkraft auf den Rotor abbildet, Simulink® und Model Predictive Control Toolbox™ zum Modellieren und umfassenden Simulieren des Reglers und Simulink Coder™ zum Generieren von Code für die Bereitstellung auf einem industriellen Steuerungssystem von Bachmann. Mit diesem Ansatz konnten wir die Funktionsweise des Reglers an einer vollwertigen 3-MW-WEA testen, die von W2E Wind to Energy betrieben wird (Abbildung 1). Dies war ein wichtiger Schritt zur Bestätigung der Produktionsreife dieses neuartigen Reglerdesigns.

Eine Windkraftanlage, vom Boden aus gesehen, auf einem freien Feld gelegen.

Abbildung 1. Eine 3-MW-Windturbine, die von der W2E Wind to Energy GmbH in Rostock, Deutschland, entworfen und gebaut wurde.

Trainieren des Machine-Learning-Modells und Integrieren in das MPC

Die Leistung und Stabilität eines MPC werden stark von der Genauigkeit und Wiedergabetreue seines Vorhersagemodells beeinflusst. Da Modelle mit höherer Wiedergabetreue häufig einen höheren Rechenaufwand erfordern, muss beim MPC-Design ein Kompromiss eingegangen werden. Beispielsweise ist die Einbindung eines vollständigen mathematischen Strömungsdynamikmodells für eine Windkraftanlage in einen MPC nicht praktikabel, da die zum Generieren von Vorhersagen auf der Grundlage eines solchen Modells erforderliche Zeit die Abtastzeit des Reglers wahrscheinlich bei weitem überschreiten würde.

Um diesen Design-Zielkonflikt zwischen Wiedergabetreue und Rechenintensität aufzulösen, verwendeten wir ein Machine-Learning-Modell – genauer gesagt ein lokales lineares Neuro-Fuzzy-Modell (LLNFM) – um Änderungen der Schubkraft auf den Rotor der Turbine schnell vorherzusagen. Im MPC haben wir dieses LLNFM mit einem nichtlinearen Modell reduzierter Ordnung des WT kombiniert (Abbildung 2). Bevor wir es jedoch in unser Steuerungsdesign integrieren konnten, mussten wir zunächst das Machine-Learning-Modell trainieren.

Eine schematische Darstellung des Modells reduzierter Ordnung und eine schematische Darstellung des lokalen linearen Neuro-Fuzzy-Modells sowie ein Diagramm, das zeigt, wo diese Modelle in den Rotor der Windkraftanlage integriert sind.

Abbildung 2. Integration des lokalen linearen Neuro-Fuzzy-Modells (rechts) mit einem Modell reduzierter Ordnung (links), das aus einem mechanischen Untermodell für die Dynamik des Windrad-Antriebsstrangs, einem mechanischen Untermodell für die Dynamik von Rotorturm und -blättern und einem dritten Untermodell für die Aerodynamik besteht.

Für das Training jedes Machine-Learning-Modells, einschließlich unseres LLNFM, sind Daten erforderlich. Wir generierten synthetische Trainingsdaten mit der alaska/Wind-Software, in der wir interne Belastungen des Rotors auf Basis äußerer Windkräfte modelliert und simuliert haben. Insbesondere haben wir Simulationen durchgeführt, um die Schubkraft auf den Rotor unter verschiedenen Windbedingungen, einschließlich unterschiedlicher Geschwindigkeiten und extremen Betriebsböen, zu messen. Anschließend haben wir diese Daten in MATLAB importiert und vorverarbeitet. Zu den Vorverarbeitungsschritten gehörte die Berechnung der Zeitableitung (weil wir das Modell auf die Änderung der Schubkraft über die Zeit trainieren wollten) und Anwendung eines Tiefpassfilters zur Eliminierung der durch die Stochastik des Windes bedingten Hochfrequenzanteile (Abbildung 3).

Ein simuliertes Modell der Windturbine und ein Diagramm, das die erfassten Rohdaten aufzeichnet, zwei Diagramme, die die nach Zeit und Frequenz gefilterten Rohdaten zeigen, und ein Diagramm, das die Ergebnisse des Modelltrainings zeigt.

Abbildung 3. Ein Überblick über den Arbeitsablauf: Erfassen von Simulationsdaten, Vorverarbeiten dieser Daten und anschließendes Trainieren eines lokalen linearen Neuro-Fuzzy-Modells.

Wir haben das LLNFM mit dem LOLIMOT-Algorithmus (LOcal LInear MODel Tree) erstellt und trainiert. Dieser stammt vom LMN-Tool, einer MATLAB Toolbox der Universität Siegen. Wir verwenden LLNFM, da es nichtlineare Beziehungen darstellt, im Vergleich zu anderen Techniken des Machine Learning jedoch eine überschaubare Komplexität bietet. Dies führt zu einer besseren Interpretierbarkeit, was bei realen Steuerungsanwendungen von Vorteil ist, bei denen die Minimierung des Risikos möglicher Schäden an der Anlage ein zentrales Anliegen ist.

Nachdem wir das LLNFM trainiert und validiert hatten, verwendeten wir das symbolische Framework CasADi, um einen symbolischen Ausdruck basierend auf dem Modell zu erstellen und die Jacobi-Matrix des Modells in Bezug auf die Systemzustände zu berechnen. Wir haben eine S-Funktion basierend auf diesem symbolischen Ausdruck des Modells und seiner Jacobi-Matrix erstellt. In Simulink wird diese S-Funktion aufgerufen, um ein linearisiertes Zustandsraummodell im erweiterten Kalman-Filter (EKF) des Reglers zu erhalten. Sie wird aufgerufen durch den Adaptive MPC Controller-Block zur Schätzung von Vorhersagemodellzuständen bei sich ändernden Betriebsbedingungen (Abbildung 3).

Simulation und Feinabstimmung des Reglers

Nachdem das Machine-Learning-Modell in den MPC integriert war, bestand unser nächster Schritt darin, Simulationen auszuführen, um den Regler zu optimieren und seine Leistung zu bewerten. Der Regler ist darauf ausgelegt, die Leistungsabgabe zu maximieren und gleichzeitig die strukturelle Belastung zu minimieren.

Wir haben zahlreiche Simulationen bei unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten durchgeführt, von der Einschaltwindgeschwindigkeit bis zur Ausschaltwindgeschwindigkeit. Anschließend analysierten wir die Ergebnisse in MATLAB und verglichen die Leistung des neuen, durch Machine Learning verbesserten MPC mit dem vorhandenen MPC und einem klassischen Steuerungssystem als Ausgangsbasis. Während das durch Machine Learning verbesserte MPC im Teillastbereich (niedrigere Windgeschwindigkeiten) nur einen geringen Einfluss auf die Dynamik des Schubes hatte, reduzierte es im Volllastbereich (höhere Windgeschwindigkeiten) die Dynamik des Schubes im Frequenzbereich um die dominante Eigenform des ersten Turms (Abbildung 4). Die Simulationsergebnisse zeigten, dass der durch Machine Learning verbesserte MPC eine ähnliche Leistung erzeugt wie der bestehende MPC (Abbildung 5).

Zwei Diagramme, die die Schubkraft unter Voll- und Teillastbedingungen darstellen und jeweils Ergebnisse für die Basislinie, MPC ohne Machine Learning und MPC mit Reglern für Machine Learning zeigen.

Abbildung 4. Diagramme der Leistungsspektraldichte der Schubkraft unter Teillastbedingungen (links) und Volllastbedingungen (rechts) für drei Reglertypen: Basisregler (schwarz), MPC ohne Machine Learning (blau) und MPC mit Machine Learning (rot).

Ein Diagramm, das simulierte Leistungsabgaben für verschiedene Windgeschwindigkeiten für das durch Machine Learning verbesserte MPC, das MPC ohne maschinelles Lernen und grundlegende Steuerungsalternativen zeigt.

Abbildung 5. Diagramme der simulierten Leistungsabgabe bei verschiedenen Windgeschwindigkeiten. Sie zeigen eine ähnliche Leistung für die Alternativen MPC mit Machine Learning (rot), MPC ohne Machine Learning (blau) und Basissteuerung (schwarz).

Einsatz und Test an einer echten Windkraftanlage

Die Simulationen gaben uns zwar Vertrauen in unser Reglerdesign, doch für unser Forschungsprojekt war es auch von entscheidender Bedeutung, zu sehen, wie es sich auf der echten Windkraftanlage verhalten würde, und seine Robustheit unter realen Betriebsbedingungen zu beurteilen. Um dieses Ziel zu erreichen, verwendeten wir Simulink Coder mit M-Target for Simulink, um aus unserem Regler Code für die MH230 PLC der Bachmann Electronic GmbH zu generieren, die in der W2E Wind to Energy WT verbaut ist. Die Feldtests verliefen gut und bestätigten den stabilen Betrieb der WEA in voller Größe im Teillast- und Volllastbereich (Abbildung 6).

Eine Reihe von Diagrammen zeigt die Ergebnisse für das neue, durch Machine Learning verbesserte MPC bei der Steuerung der 3-MW-Turbine in Rostock. Die Diagramme stellen Variablen für Windgeschwindigkeit, Generatordrehzahl, Leistung, Neigungswinkel und Generatordrehmoment im Zeitverlauf dar.

Abbildung 6. Ergebnisse experimenteller Feldtests des neuen, durch Machine Learning verbesserten MPC bei der Steuerung der 3-MW-Windturbine in Rostock.

Somit haben wir in dieser ersten Machbarkeitsstudie die grundsätzliche Möglichkeit demonstriert, eine Erweiterung des Machine Learning in fortgeschrittenen MPC-Algorithmen auf Windkraftanlagen in Originalgröße zu verwenden. Dadurch können wir künftig auch komplexere Machine-Learning-Algorithmen in Experimenten erproben und den Betrieb von Windkraftanlagen weiter verbessern.

In der nächsten Zeit freuen wir uns auf ausführlichere Feldtests mit der WEA und die damit verbundenen Möglichkeiten zur weiteren Optimierung und Abstimmung der Steuerung. Wir prüfen außerdem mehrere andere mögliche Verbesserungen, darunter die Verwendung von Lidar-Sensoren, um dem Regler genauere Schätzungen der Windausbreitung zu liefern, und die Verwendung einer individuellen Rotorblattneigungssteuerung – anstelle einer kollektiven Rotorblattneigungssteuerung – um die Steuerungspräzision und -leistung weiter zu verbessern.

Danksagung

Abbildung 2 und Abbildung 3 wurden aus dem Aufsatz Control-Oriented Wind Turbine Load Estimation Based on Local Linear Neuro-Fuzzy Models übernommen, ((2024), veröffentlicht im Journal of Physics): Konferenzreihe, unter der Creative Commons Attribution 4.0 License. Die Figuren wurden gegenüber den Originalversionen verändert.

Veröffentlicht 2024

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